Oder: Wir sind am Start und die Welt ist groß Wir ham’ kein Ziel, aber wir fahr’n los unser Zug ist abgefahr’n doch wir sitzen drin Niemand kann ihn stoppen, wir werden weiterrocken ..

Freitag, 4. Mai 2012

Bikaner 21.03. - 24.03.2012


Wir fuhren zum Bahnhof und kauften uns zwei Ticktest für die mehrstündige Fahrt nach Bikaner. 

Im Zug trafen wir auf ein älteres kanadisches Pärchen. Sofort sprach uns der Mann an und fragte uns, ob wir englisch sprechen?! Er erzählte uns wie die beiden übers Ohr gehauen wurden. Sie hatte ein Zimmer im Voraus gebucht und bezahlt. Am Bahnhof von Jaisalmer sollten Sie abgeholt werden. Dort wurden sie auch angesprochen und gefragt, ob sie ein Hotel über das Internet gebucht haben. Der Mann brachte sie zu einem Hotel und zeigte ihnen ein kleines nicht so schönes Zimmer. Für nur 250 Rs Aufpreis konnten die beiden aber ein besseres Zimmer beziehen (unser Zimmer kostete uns 150 RS!). Außerdem verkaufte der Mann den beiden auch noch eine langweilige überteuerte Wüstentour. Als er sie an diesem Morgen zum Bahnhof gefahren hatte, sagte er ihnen dann ganz beiläufig, dass das Hotel in dem sie die letzten Nächte geschlafen hatten nicht Desertwind sondern Wind of Desert hieß oder so ähnlich, sie ihm doch aber bitte im Internet bei der und der Seite eine gute Bewertung geben möchten. Da verstanden sie erst, dass sie gar nicht in dem Hotel geschlafen hatten, für das sie schon im Voraus bezahlt hatten. 

Die beiden rüstigen Rentner hatten von so vielen Bekannten gehört das Indien so toll sein soll. Sie aber, hatten das Gefühl andauernd nur belogen und betrogen zu werden, dazu kommt dieser schreckliche Umgang der Inder mit ihrer Umwelt, der Lärm usw. Kurz um sie waren ziemlich enttäuscht und froh bald nach Haus zu fliegen. Er meinte noch spaßeshalber, dass sie vielleicht mittlerweile zu alt sein um mit dem Rucksack herum zu reisen und es Zeit für Kreuzfahrten werde. Wir erklärten ihnen, dass wir teilweise einen ähnlichen Eindruck haben. Wir hatten mittlerweile auch schon so viele schlechte Erfahrungen und Eindrücke gesammelt, die wir wie einen weiteren schweren Rucksack mit uns rumschleppten und der uns stetig runterzog.

Um uns ein bisschen von dieser Last zu befreien, beschreiben die nächsten Zeilen die nervigsten Dinge die uns das Leben oder Reisen in Indien erschwerten:
Grundsätzlich ist jeder dein Freund, solange du Geld hast.
 
Da du helle Haut hast, geht jeder davon aus das du Unmengen an Geld hast und jeder möchte etwas davon abhaben. Verständlich, da wir uns den Flug leisten können den sich viele höchst wahrscheinlich niemals leisten werden können und sich viele Urlauber auch so benehmen. Leider verführt das nicht nur die wirklich bedürftigen Menschen dazu zu betteln sondern auch z.B. fast jedes Schulkind. Die obligatorische ausgestreckte Hand und Frage nach 10 Rupee (oder gerne auch mehr), Sweets, Kugelschreibern oder wenn du das alles nicht hast dann auch nach deiner Sonnenbrille oder Handy usw. nervt auf Dauer. Ignorierst du dieses Gebettel wirst du auch ganz gern mal mit Steinen beworfen.

Der Palast von Bikaner
Gehst du spazieren quatscht dich jeder von der Seite an und probiert dir alles zu verkaufen. Egal ob du dich unterhältst, du was isst oder mit einem zwanzig Kilo Rucksack auf dem Rücken in brütender Hitze kurz vor dem Hitzekoller bist, sollst du noch einen fünf Kilo Marmor Elefanten oder sonst was kaufen.

Hat jemand nix zu verkaufen dabei, kommt nach einem obligatorischen 3 Minuten standard Interview: woher kommst du, Deutschland ist Gut, wie heißt du, bist du verheiratet – das: „by the way“ ich habe eine Guesthouse, mein Bruder hat ein Guesthouse, brauchst du ein Zimmer oder ich bin Künstler – willst du mein Atelier sehen oder mich hat ein böses Schicksal getroffen und brauche Geld oder ich habe ein Tuk Tuk soll ich dich durch die Gegend fahren.
Spricht jemand ein paar Wörter deutsch ist dies ein gutes Indiz das dieser Mensch Touristen gewöhnt ist und will dich verarschen will.

Küche im Rattentempel
Weiter geht’s. Kommst du irgendwo neu an ist es am schlimmsten! Mit dem Zug geht’s noch, da sind so viele Menschen, da wird man meist erst vor dem Bahnhof genervt. Erreicht man ein Ziel per Bus, am besten noch nach einer langen durchfahrenen Nacht, springen die Rikscha oder Taxifahrer schon in den Bus, wecken einen, blockieren alles und nerven mit ihren Fragen - wo man hin will. 

Schlimmer für Sandra als für mich war das durchgängig angestarrt werden. Egal wie sehr sich Frau verhüllt der indische Mann im Alter zwischen 12-65 Jahre starrt sich die Seele aus dem Leib. Wenn es auch nur ein oder zwei kleine weiße, unverhüllte Füße zusehen gibt.
Ist man als Frau so mutig und geht im Bikini an den Strand kann man sich sicher sein das irgendein vorbeigelaufener Mann ein Video mit seiner Handykamera von einem gemacht hat und diesen Film zuhause als Porno verkauft.

Pilger im Rattentempel
Dann das Miteinander der Inder untereinander ist auch so ein Thema. Nur ein paar Beispiele. Im Bus oder Zug wird nicht aufgestanden, sitzt ein Inder auf dem ersten oder zweiten Platz einer dreier Sitzbank muss sich jeder der den freien Platz am Fenster haben will knallhart durchdrängeln. Für alte oder Schwangere wird auch kein Platz gemacht. Es wird nie miteinander geredet, sondern immer nur geschrien. Kommt ein geistig- oder körperlichbehinderte Mensch bettelnd durch den Zug wird ohne Scham gelacht. Besonders erschreckend war eine Scene die wir beobachten mussten, wo ein Ladenbesitzer ein sehr junges, bettelndes Straßenmädchen mit einer Holzlatte von seinem Laden vertrieben hat – wie einen räudigen Straßenköter! Teilweise hat man das Gefühl das so etwas wie Rücksicht oder Respekt völlig unbekannt zu sein scheint.

Hygiene ist auch noch so ein Thema…wie kann man 10 Monate durchgängig durch Asien und Russland reisen ohne Probleme zuhaben aber kaum in Indien angekommen ist der Magen ständig im Arsch oder man bekommt Fieber oder andere leiden? Ist man eine Stunde draußen und kommt wieder in sein Zimmer, ist man beim Hände waschen erst mal geschockt was da für eine braune Brühe in den Abfluss fließt, auch wenn man aus Ekel so gut wie nichts mehr anfasst.

Achja, der Verkehr und die Umwelt…läuft man durch die sowieso überfüllten Straßen genervt vom Lärm, hat man das Gefühl, dass die indischen Hupen noch lauter sind und alle extra mit dem Hupen warten bis sie direkt neben einem sind. Der Umgang mit der Natur ist aber das was uns am aller meisten stört. Nur ein einziges Beispiel. Du gehst über eine vier spurige Brücke. Auf einmal hält mitten im fließenden Verkehr ein Auto am Rand an und ein Mann steigt aus. Du würdest vermuten er hat eine Panne oder sonst was Schlimmeres - aber weit gefehlt, er hat einen großen Plastiksack voll mit Müll und den schmeißt er natürlich in den Fluss unterhalb der Brücke!? Wo auch sonst hin???

Zudem hat man einfach das Gefühl, dass es zu viele Inder gibt. Man ist nie allein. Privatsphäre gibt es nicht. Alles was du machst wird bis ins kleinste Detail beobachtet – ohne Scheu versteht sich! Selbst wenn man ein Buch liest, wird dir dabei über die Schulter geguckt.
Puh genug Luft verschafft und ab gelästert aber man könnte noch so viel mehr schreiben was einen hier in den Wahnsinn treibt. 

Unser Zug fuhr weiter durch die Wüste und passend zu unserer düsteren Stimmung setzte ein Sandsturm ein und innerhalb von Minuten war das ganze innere des Zugabteils von einer dünnen Sandschicht überzogen. 

Abhi vor der Silbertür

In Bikaner angekommen verabschiedeten wir uns von den Kanadiern und machten uns auf den Weg eine Unterkunft zu finden. Leider waren die Zimmer zu teuer oder alles war voll. In einem Hotel dolmetschte ein junger Inder für uns. Wir gingen davon aus das er zum Personal gehörte und nur seine Arbeit machte. Nachdem wir geklärt hatten, dass uns die wirklich zu schäbige Absteige ohne Fenster nicht gefällt, verabschiedeten wir uns von dem Jungen. Aber er bot uns an uns zu helfen und uns ein anderes etwas schöneres Hotel zu zeigen. Sein Name war Abhi. Nach unseren ganzen schlechten oben genannten Erfahrungen dachten wir schon wieder dass er gleich mit dem „by the way“ rausrückte…aber weit gefehlt - er entpuppte sich als wahrer Engel.

Er fuhr mit uns durch die halbe Stadt und wieder zurück bis wir ein passendes Zimmer gefunden hatten. Er war dabei wirklich eine große Hilfe, denn wie sich herausstellte waren alle fast alle Hotels in Bikaner schon voll. Während der langen Suche hatte er uns erzählt, dass er ein Couchsurfer sei und oft Ausländer zu Hause bei sich aufnehme. Zurzeit würden sie aber sein Heim renovieren und er konnte uns keinen Schlafplatz anbieten. (Couchsurfer bieten im Internet einen Schlafplätz bei sich zu Hause kostenlos an, wenn sie dann selber Reisen, können sie bei andern Couchsurfern für ein paar Tage unterkommen) Er bot uns aber an, uns am nächsten Tag zum berühmten Rattentempel zu fahren. Wir nahmen das Angebot dankend an und wollten ihn noch zum Abendessen einladen. Dankend lehnte er ab und meinte, dass er uns nach dem anstrengenden Tag lieber alleine lassen würde.

Leider bekam Sandra das Essen mal wieder nicht so gut und nachdem ich schon lange in Jaisalmer flach lag war sie wieder an der Reihe. Da wir uns aber schon verabredet hatten und nicht unhöflich sein wollten, traf ich mich allein mit Abhi. Zusammen fuhren wir mit dem Zug in den außerhalb gelegenen Karni Mata Tempel. An sich nicht so spektakulär, abgesehen von einer riesigen Silbertür, sind das Highlight dieses Tempels die tausenden von heiligen Ratten die den Tempel bewohnen und von den Priestern gepflegt werden. Überall wimmelte es von Ratten. Selbst in der großen Küche in der für die Ratten und Pilger gekocht wird. Es passiert auch mal ganz schnell das einem die eine oder andere Ratte über den Fuß läuft und man muss tierisch aufpassen wo man hintritt. Leider habe ich die Geschichte die Abhi mir erzählte, warum die Ratten an diesem Ort heilig sind, vergessen…



Nach einer halben Stunde im Tempel ging es wieder zurück zu Sandra. Leider ging es ihr immer schlechter. Wir wollten eigentlich noch Bustickets besorgen um am nächsten Tag weiter nach Amritsar fahren zu können, aber als Abhi Sandra so sah bot er uns an, dass er die Bustickets besorge und sie uns später vorbeibringe. Ich hätte dadurch Zeit mich um Sandra zu kümmern. Dankend nahm ich auch dieses Angebot war. Ich gab ihm ca. 20 Euro und hoffte dass er wirklich so ein netter Junge war wie es den Anschein machte. Und er kam wirklich wieder mit zwei Tickets zwar nicht für den nächsten, aber den übernächsten Tag. 

Unglaublich, nach all unseren schlechten Erfahrungen war es ein wenig so als wollte uns irgendjemand sagen, es sind nicht alle so und es gibt auch sehr viele super nette und ehrliche Menschen in diesem Land. Balsam für unsere Seelen.

Leider war Sandra bis zu unserer Abreise nur noch im Bett und wir konnten nichts mehr mit Abhi machen oder uns anständig für all seine Hilfe bedanken.

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